Umgestaltung des Brandplatz

Der Bereich des Brandplatzes liegt in der historischen Mitte Gießens. Er ist in städtischem Besitz und wird im Norden durch das denkmalgeschützte Ensemble Zeughaus und das Neue Schloss begrenzt, die beide zum Campusbereich der Justus-Liebig-Universität Gießen gehören. Im Osten grenzen der älteste universitäre Botanische Garten Deutschlands sowie das Alte Schloss an. Der Botanische Garten als große innerstädtische Grünfläche besitzt eine wesentliche Bedeutung als Ruheoase sowie als Naherholungsbereich. Das Alte Schloss hingegen beherbergt einen Teil des Oberhessischen Museums und komplettiert damit die Oberhessischen Museen. Im Süden und Westen des Brandplatzes befinden sich nachkriegszeitliche Gebäude wie etwa der Verwaltungssitz des Regierungspräsidiums Gießen und vornehmlich gastronomische Erdgeschossnutzungen.
Derzeit übernimmt der Brandplatz die Funktion eines stark versiegelten, unbegrünten, überhitzten und untergenutzten innerstädtischen Parkplatzes. Er ist Teil des mittwochs und samstags stattfindenden überregional bedeutsamen Wochenmarktes und besitzt damit eine erhebliche Strahlkraft für den stationären Einzelhandel und die lokale Gastronomie. Zwischen den in jüngerer Zeit aufgewerteten Bereichen Landgraf-Philipp-Platz/ Senckenbergstraße, der Marktlaubenstraße und Lindenplatz/ Kirchenplatz/ Marktplatz stellen der Brandplatz, die Schlossgasse und die Marktlaubenstraße eine wichtige Aufenthalts- und Verbindungsfunktion dar. Unrealisierte Ideen im Vorfeld der Landesgartenschau 2014 hatten den Brandplatz bereits als grüne Verbindung zwischen Lahn- und Wieseckaue gesehen, der die Aufenthaltsqualität verbessern und damit die Naherholungsräume miteinander verknüpfen sollte.
Die Stadt Gießen hat sich mit dem Stadtverordnetenbeschluss Gießen 2035 Null und damit zur perspektivischen Klimaneutralität bekannt. Das vorrangige Ziel einer Neuordnung des Brandplatzes hat die innerstädtische Steigerung der Aufenthaltsqualität, die Aufwertung der Freiräume und des öffentlichen Raumes zum repräsentativen Kultur- und Geschäftsviertel im Blick. Im Fokus des Projektes steht aber auch, den Parksuchverkehr in der Innenstadt einzuschränken und damit die Bedingungen für Fußgänger und Radverkehr zu verbessern. Die Beruhigung des innerstädtischen motorisierten Individualverkehrs und die Stärkung der Belange des Fuß- und Radverkehrs sind notwendige verkehrliche Maßnahmen, um die Innenstadt verkehrlich zu beruhigen und städtischen Klimazielen zu entsprechen. Eine Entsieglung nebst Begrünung (Hecken, Blühstreifen etc.) des Brandplatzes besäße darüber hinaus das Potential, die Versickerungsfähigkeit wiederherzustellen (Rasenwaben etc.) und Verschattungsmöglichkeiten (Baumpflanzungen klimaresistenter Baumarten) im Sinne einer klimaresilienten Stadt zu schaffen.
Das Konzept ist so umzusetzen, dass die Durchführung der Markttage ermöglicht bleibt. Der gestalterische Übergang und die Einbindung der angrenzenden Bereiche Landgraf-Philipp-Platz/ Senckenbergstraße und Lindenplatz/ Kirchenplatz/ Marktplatz sowie die Schlossgasse bzw. die Marktlaubenstraße sind zu berücksichtigen. Gleichzeitig vermag eine neue stadtbildprägende Platzgestaltung Aufenthaltsqualitäten mit neuen Bestuhlungskonzepten etc. neu zu definieren. Sie hätte zudem das Potential, das Image der Stadt als lebenswerte, zukunftsorientierte Stadt zu verbessern, Klimaschutz und Verkehrswende im Herzen der Stadt sichtbarer zu machen und einen neuen, dauerhaften Ort der Begegnung und des sozialen Austauschs zu begründen. In diesem Zusammenhang könnte ein umzugestaltender Brandplatz Möglichkeiten der Festivalisierung bieten und durch neue Veranstaltungsformate bespielt werden.
Ein großer Reiz der Stadt Gießen liegt in der starken Integration der Campusbereiche und universitären Institute in das städtische Gefüge. Hier bieten sich Möglichkeiten an bspw. den Botanischen Garten durch zusätzliche Öffnungen stärker in die Brandplatzgestaltung einzubinden.
Den Brandplatz in seiner Funktion baulich, verkehrlich und grünordnerisch zu verändern und ihn als eine neue historische Mitte zu kommunizieren, bedarf einer zielgerichteten Marketingstrategie. Diese muss im Blick behalten, dass sich die Brandplatzumgestaltung optimal als Pilotprojekt im Kontext Gießen 2035 Null eignet. Zu überlegen ist auch, ob der Brandplatz in seiner historischen Dimension als Zeugnis eines großen Brandes im Jahr 1560 einem neuen Branding unterworfen werden sollte – also ob sich ggf. ein neuer identitätsstiftender Platzname ableiten ließe. Denkbar erscheinen dabei vor allem öffentlichkeitswirksame Aktionen/ Veranstaltungen unter Einbeziehung des angrenzenden Einzelhandels (BIDs, Marktbeschicker, etc.) und der ansässigen Gastronomie. Auch die Integration der Markttage als „Ideenmarkt“ erscheint möglich, um Konzeptideen bei Bewohnerinnen und Bewohnern, Nutzerinnen und Nutzern sowie Besucherinnen und Besuchern abzufragen. Dabei gilt es kreative Beteiligungsformate, die die Vielschichtigkeit der Stadtgesellschaft abzubilden vermögen, zu etablieren.
In der Konsequenz muss es gelingen bauliche Erneuerung, Innenstadtmarketing und symbolische Aufwertung miteinander zu verschränken.
Der Brandplatz als zentraler Teilbereich der Gießener Innenstadt hat aufgrund seiner Lage im Innenstadtgefüge, seiner Versorgungsfunktion an Wochenmarkttagen, seiner beliebten Wohnlage, aber auch als angrenzender Platz des Botanischen Gartens und des universitären Campusbereiches einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der Innenstadt sowie der Gesamtstadt.
Der Brandplatz besitzt das Potential, ein Leuchtturmprojekt hinsichtlich der Verzahnung von städtebaulichen, grünordnerischen, klimaneutralen, kulturellen und verkehrlichen Maßnahmen zur Stadterneuerung zu sein.