Stadtallendorf - Inseln in der Stadt I

"Piratenbucht" im Heinz-Lang-Park (Foto: Markus Hirth, projekt.stadt)

Die Stadtgeschichte Stadtallendorfs prägt dessen bauliche Struktur wie in keiner anderen   hessischen Gemeinde. Bis zum Beginn des 2. Weltkrieges lebten im damaligen „Katholisch Allendorf" circa 1.500 Einwohner in einer landwirtschaftlich geprägten Gemeinde. Erst mit der Rüstungsindustrie, welche im Laufe des 2. Weltkrieges angesiedelt wurde, wuchs die Einwohnerzahl auch bedingt durch Kriegsgefangene, Fremd- und Zwangsarbeiter, KZ-Häftlinge. So arbeiteten zeitweilig bis zu 25.000 Menschen in den angesiedelten Industrien; in der direkten Nachkriegszeit wurden Evakuierte, Geflüchtete und Zwangsumgesiedelte in den Unterkünften und Baracken untergebracht.

 

Nach dem Krieg wird Allendorf zu einer Modellstadt „Industrie im ländlichen Raum". In den Jahren des Wirtschaftswunders wächst der Wirtschaftsstandort und wird ein Musterbeispiel für die Ansiedlung von industriellen Arbeitsplätzen. Mit der Verleihung der Stadtrechte im Jahr 1960 wechselte der Name zu „Stadt Allendorf", wobei der Name in seiner jetzigen Schreibweise seit dem 01.01.1977 besteht. Entsprechend der Entstehungsgeschichte ist das Stadtbild durch die Zeilenbebauung der 1950er bis 1980er Jahre und den Leitbildern der gegliederten, aufgelockerten und autogerechten Stadt geprägt. Es entsteht keine zusammenhängende, gewachsene Stadt, sondern vielmehr eine Agglomeration unterschiedlicher Strukturen; bis in die 1980er Jahre fehlt ein städtisches Zentrum, die Siedlungsstruktur wird durch Industrieanlagen und Infrastruktur zerschnitten.

 

Zahlreiche städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen versuchten die Ausbildung städtischer Strukturen nachzuholen und eine lebendige Stadtmitte zu schaffen. So wurde bereits Anfang der 1980er Jahre der erste Bauabschnitt der Stadtmitte als Fußgängerzone fertig gestellt, mit angrenzenden großflächigen Parkplatzarealen. Wie alle Retorten aus der Zeit der   autogerechten Stadt droht die Stadtmitte auszusterben. Der hohe Anteil von Personen mit Migrationshintergrund ist ebenfalls ein Ergebnis der Stadtgeschichte. Im Rahmen des Arbeitskräftemangels in den 1960er und frühen 1970er Jahren kamen zahlreiche sogenannte „Gastarbeiter" nach Stadtallendorf, deren Familien nachzogen. Stadtallendorf kann als klassische Arrival City, mit all den daraus resultierenden Problemen gesehen werden. So sind gut 70   Nationalitäten in Stadtallendorf vertreten, die einen Anteil von ca. 25 % an   der Gesamtbevölkerung haben. Im Gebiet der Stadterneuerung liegt dieser Anteil bei ca. 40%, in einzelnen Quartieren sogar über 50 %; Stadtallendorf weist somit großstädtische Problemmerkmale (Migration, Segregation, Parallelgesellschaften) auf, jedoch ohne   entsprechende großstädtische Raumstrukturen wie Dichte, Zentralität oder entsprechende Einwohnerzahlen.

 

Durch die beschriebene Entwicklungsgeschichte finden sich in Stadtallendorf die „Inseln in der Stadt". Hauptziele im Rahmen des Projektes sind der Abbau der Verinselung auf ethnischer, sozialer und baulicher Ebene, die Formulierung einer nachhaltigen Entwicklungsstrategie für die überforderten Quartiere des Fördergebietes, die Beseitigung der städtebaulichen Mängel in den Wohnbereichen, die Entschärfung der Konflikte zwischen den verschiedenen Ethnien, Kulturen und Generationen, die Unterstützung überforderter Nachbarschaften sowie eine Verbesserung der Lebensbedingungen, Chancen und Perspektiven der Bewohner*innen. Die städtebaulichen   Investitionsschwerpunkte liegen dabei im Ausbau der sozialen Infrastruktur (Jugendzentrum, Südstadt-Kiosk mit Freizeithalle, Dokumentations- und Informationszentrum), in der Neugestaltung des Heinz-Lang-Parks als zentralem Ort der Begegnung, in der Schaffung neuer und in der Qualifizierung bereits bestehender Spiel- und Sportanlagen (Skateanlagen, Basketball-Anlagen und Spielplätze), in der Verbesserung der Wegeverbindungen sowie in der   Aufwertung des Wohnumfeldes. Nicht-Investiver Maßnahmenschwerpunkt ist die   Arbeit mit Jugendlichen, Migranten und Frauen, wie beispielsweise die Aufsuchende Jugendarbeit, ESF-Mikroprojekte oder das Sport- und Boxcamp im Südstadt-Kiosk.


Stadtstruktur (Foto: Stadt Stadtallendorf)

Die Stadt Stadtallendorf wurde von 2000 - 2018 aus dem Förderprogramm Soziale Stadt in Hessen gefördert.


Weitere Informationen und ausführliche Hintergründe finden Sie hier:

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